Hebamme Daniela Scholer im Interview zum Thema Babyschlaf mit Babybett im Vordergrund.

Interview zum Thema Babyschlaf: Wie schlafen Babys?

Schlaf ist ein bestimmendes Thema im Leben deines Babys. So wie sich dein Baby weiterentwickelt, verändert sich auch sein Schlaf!  

In diesem Beitrag stellen wir Fragen rund um das Thema Babyschlaf an Daniela Scholer. Daniela ist Dipl. Kinder-Krankenschwester (EFNB®, IBCLC) und Mutter. Sie bietet als bedürfnisorientierte Schlaf- und Stillberaterin Lösungsvorschläge für ein entspannteres Familienleben an und ist Regionalbetreuerin (Tirol) des Vereins für ganzheitlichen Kinderschlaf in Österreich. 

„Viel Nähe gibt den Kindern Sicherheit und Entspannung - zwei wichtige Grundbedürfnisse für Kinder, die aber auch für uns Erwachsene wichtig sind, um gut einschlafen zu können.“ 

Schlafen Babys anders als Erwachsene?

Ja, absolut. Schlafen ist ein Entwicklungs- und Reifungsprozess, der wellenförmig und nicht linear stattfindet. Babys können bereits im Mutterleib schlafen, sie müssen das Schlafen nicht lernen.

Babys befinden sich viel im Traumschlaf/REM-Schlaf, d.h. im aktiven Schlaf. Dieser ist störanfälliger. Der Traumschlaf /oberflächlichere Schlaf ist wichtig für ihre Entwicklung sowie auch eine physiologische Schutzfunktion bezüglich SIDS. Wir Erwachsenen schlafen auch nicht durch, ohne aufzuwachen. 

Doch auch Babys schlafen nicht alle gleich, die Schlafentwicklung ist individuell, wie auch z. B. die motorische und sprachliche Entwicklung.

Wieviel Schlaf braucht ein Baby am Tag oder in der Nacht? Ändert sich dieses Schlafverhalten vom Säugling bis zum Kleinkind?

Hier ist es wichtig, zwischen Schlafbedarf und Schlafdauer zu unterscheiden 

Der Schlafbedarf eines Kindes ist individuell und angeboren – deshalb sehr unterschiedlich. Daher sind diese sogenannten Schlafbedarf-Tabellen, wenn überhaupt, ein Richtwert und nicht auf jedes Kind anwendbar. Wieviel Schlaf sich die Kinder am Tag und in der Nacht holen, ist auch ganz individuell.  

Die Schlafdauer ist bei jedem Menschen eine andere, sie ist angeboren und verändert sich im Laufe des Lebens. Die Schlafdauer hängt außerdem vom Lebensalter ab: Den größten Teil nimmt Schlaf im Säuglingsalter ein und nimmt dann immer mehr ab. 

Was sind Müdigkeitsanzeichen und wie erkenne ich sie? 

Die Müdigkeitsanzeichen sind wieder individuell und von Kind zu Kind ganz unterschiedlich. Bei manchen Kindern sind sie klar erkennbar, bei anderen Kindern tun sich die Eltern sehr schwer, Müdigkeitszeichen zu erkennen.

Typische Müdigkeitszeichen sind:

  • an die Ohren fassen
  • Augen reiben
  • quengeln
  • gähnen
  • Bedürfnis nach Nähe
  • in die Leere starren
  • glasiger Blick
  • überstrecken 
  • aufdrehen

Was bedeutet „Einschlafhilfe“? Sind Schlafprogramme sinnvoll? Welche Erfahrungen hast du mit Einschlafritualen gemacht?

Einschlafen ist für die Kinder ein Trennungsprozess. Es ist wichtig, dass sie sich entspannen können und sicher fühlen. Es gibt Einschlafbedürfnisse und Einschlafangewohnheiten. Angewohnheiten kann man verändern, wenn sie nicht mehr passen. Bedürfnisse sollen nicht verändert werden.

Bedürfnisse sind: Körperkontakt, Stillen, Wärme, Nähe (bei den Eltern liegen, gehalten werden, kuscheln, etc.)

Angewohnheiten sind: nachts getragen werden, im Kinderwagen hin- und hergeschoben werden, nur aufrecht einschlafen können, an den Haaren der Eltern zupfen und wühlen, an der Brustwarze oder am Ohr zwirbeln, hüpfend auf dem Pezziball einschlafen, in der Federwiege mit Motor einschlafen, nur im Tragetuch schlafen können, etc.

Schlaftrainings lehnen wir vom VGKS (Verein für ganzheitlichen Kinderschlaf) ab, weil wir davon überzeugt sind, dass sich diese negativ auswirken. Einschlafrituale bzw. eine abendliche Routine kann das Einschlafen und Schlafen fördern sowie das Zubettgehen ruhiger gestalten. Sie sind somit gut und geben den Kindern Sicherheit. Durch die Routinen wissen Kinder, was auf sie zukommt. Es macht die Schritte nachvollziehbarer. Rituale könne sich aber verändern, man muss nicht starr daran festhalten, weil sich auch die Kinder weiterentwickeln. Es müssen auch nicht 5 verschiedene Rituale hintereinander sein.

Was sind Schlaf- und Regressionsphasen?

Schlaf gliedert sich grob in einen REM und einen NON-REM Schlaf. Der NON-REM Schlaf wiederum, gliedert sich in zwei Tiefschlaf-Phasen und zwei Leichtschlaf-Phasen. Im REM-Schlaf träumen wir, bzw. es ist der aktive Schlaf bei den Kindern.

Wir Menschen schlafen in Zyklen. Schlaf besteht aus fünf verschiedenen und aufeinander folgenden Phasen, die sich in der Nacht mehrfach abwechseln. Beim Erwachsenen im 90 bis 120 Minuten-Rhythmus und bei Babys in 40 bis 60 Minuten Intervallen. Diese Phasen bilden unseren Schlafzyklus.

Schlafzyklen entstehen durch regelmäßige Wechsel zwischen den oberflächlichen und tiefen Schlafstadien sowie dem Wachzustand.

Der Begriff „Regressionsphasen“ gefällt mir nicht und wird vom VGKS auch nicht verwendet. „Regression“ heißt Rückschritt – und diesen gibt es bei Kindern nicht, denn sie entwickeln sich ständig weiter. Damit gemeint sind Phasen, wo sich gerade viel in der Entwicklung tut, wo sich Schlafbedarf und Schlafenszeiten vielleicht gerade ändern. Es ist die Zeit, wo Kinder auch nachts wieder vermehrt nach Körperkontakt und Sicherheit suchen. Der Schlaf entwickelt sich weiter, die Wahrnehmung der Kinder wird intensiver, die Eindrücke vom Tag werden verarbeitet und somit der Schlaf oberflächlicher und unruhiger. Es ist ein physiologischer Prozess, der einen Fortschritt in der kindlichen Entwicklung bedeutet.

Ab wann können Babys durchschlafen bzw. längere Stunden schlafen? Hast du Tipps, wie man Babys hilft, um durchzuschlafen?

Die kindliche Schlafentwicklung benötigt Zeit und verläuft in kleinen Schritten. Sie dauert durchschnittlich 3 Jahre. Erst dann ist ihr Schlafverhalten ähnlich dem eines Erwachsenen. In diesen Jahren brauchen sie mal mehr und mal weniger Schlafbegleitung, je nach kognitiver und emotionaler Entwicklung. 

Durchschlafen wird häufig als entscheidender Entwicklungsschritt betrachtet. Durchschlafprobleme können im Grunde als Wiedereinschlafprobleme gesehen werden, d. h. die Kinder können nach dem normalen kurzen Erwachen nicht wieder allein einschlafen und somit die Schlafphasen miteinander verbinden. Das ist ein Entwicklungs- und Reifungsprozess und ganz individuell. Entwicklungs- und Wachstumsschübe, Zahnen, Impfungen, Krankheit können häufiges Aufwachen begünstigen.

Kann ich meinem Baby zutrauen, allein einzuschlafen oder braucht es immer eine Bezugsperson?

Es ist ganz natürlich, dass Kinder eine vertraute Bezugsperson zum Einschlafen brauchen. Es gehört zur Schlafentwicklung dazu. Kinder würden von sich aus nie allein im Dunkeln im eigenen Zimmer, im eigenen Bett schlafen. Sie bevorzugen Nähe und Sicherheit. Kinder brauchen eine altersgemäße Schlafbegleitung und Co-Regulation. Um einerseits körperlich zur Ruhe zu kommen und andererseits Erlebtes verarbeiten zu können. Eine emotionale Begleitung beim Einschlafen ist wichtig, um Vertrauen in die Schlafsituation aufzubauen.  

Kinder, die allein schlafen müssen – wenn sie dies eigentlich nicht wollen – wachsen oft mit dem Gefühl auf, dass der Schlaf etwas Unangenehmes, eine Zeit der Angst und Trennung ist. 

Babys sind sehr individuell. Auch wenn sie es eine Zeit lang schaffen allein einzuschlafen, kann sich diese Situation mit zunehmender Entwicklung verändern, Bedürfnisse können sich verändern.

Gibt es optimale Schlafbedingungen?

Eine gute Schlafhygiene (Rahmenbedingungen) fördert den Schlaf. Aber was versteht man unter einer guten Schlafhygiene?

  • Eine passende Raumtemperatur
  • Gemütliches Bett und Bettzeug
  • Entspannte Schlafumgebung: Licht, Duft, Atmosphäre etc.
  • Routinen
  • Der Tagesablauf: viel Bewegung an der frischen Luft, ausreichend Flüssigkeit, wenig Coffein (für die Mutter)

Gibt es so etwas wie einen Notfall-Plan, falls ein Baby zwar müde ist, aber einfach nicht einschlafen kann?

Als Notfall-Plan gilt prinzipiell Körperkontakt würde ich sagen. Oxytocin (Kuschelhormon) ist ein Gegenspieler von Stresshormonen wie Cortisol. Wobei jedes Kind individuell in seinen Bedürfnissen ist. Viel Nähe gibt den Kindern Sicherheit und Entspannung. Zwei wichtige Grundbedürfnisse für Kinder, die aber auch für uns Erwachsene wichtig sind, um gut einschlafen zu können. Einschlafen ist ein Trennungsprozess. Kinder müssen sich sicher und entspannt fühlen. Sie müssen sich geborgen fühlen, um loslassen zu können sowie genügend Schlafdruck haben. Eine entspannte Haltung bei der Einschlafbegleitung ist ebenfalls sehr wichtig. Wenn man selbst nicht entspannt ist, überträgt sich das gerne auf das Kind. In diesem Fall besser die Einschlafbegleitung wechseln (Papa statt Mama bzw. umgekehrt) oder kurz durchschnaufen und sich selbst kurz regulieren (Essen, Trinken, frische Luft, kurze Pause, …), um dann entspannter das Kind unterstützen zu können. 

 

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